Heidsiek, Wilhelm
Wilhelm Heidsiek (4. Januar 1888 in Preußisch-Oldendorf; † 7. November 1944 in Neuengamme)
Verlagsleiter „Alte Liebe“, Politiker, Opfer des Nationalsozialismus
Leben und Werk
Wilhelm Heidsiek wird am 4. Januar 1888 in Preußisch-Oldendorf als siebtes Kind eines Tischlermeisters geboren. Er macht eine Lehre in Bad Essen als Schriftsetzer und Maschinensetzer und gelangt am 22. Mai 1910 nach Cuxhaven, wo er beim "Cuxhavener Tageblatt" als Maschinensetzer arbeitet. Er wird aktives Gewerkschaftsmitglied und lernt dort Karl Olfers, Heinrich Grube und August Giesen kennen. Die vier Sozialdemokraten träumen davon, eine eigene sozialdemokratische Zeitung zu machen. Vorerst bleibt das ein Traum.
Am 20. Januar 1912 verlässt Wilhelm Heidsiek Cuxhaven und geht nach Hamburg. Dort arbeitet er beim "Fremdenblatt" und zieht schließlich in den Krieg. 1919, in den Wirren der Revolution, trifft Wilhelm Heidsiek August Giesen wieder und die beiden nehmen ihre Träume für eine eigene Tageszeitung in Cuxhaven wieder auf. Dabei ist August Giesen derjenige, der die Idee vorantreibt. Wilhelm Heidsiek, der gerade seine Hochzeit mit Martha Wolf plant, fühlt sich in Hamburg viel zu wohl, als dass er in die Cuxhavener Provinz zurückkehren will. Aber August Giesen, der Wilhelm Heidsiek für den richtigen Mann für diese Aufgabe hält, gibt nicht auf. Er holt Karl Olfers, der gerade in die Hamburger Bürgerschaft gewählt worden war, mit in das Boot, um die Träume von der eigenen sozialdemokratischen Zeitung zu verwirklichen. Karl Olfers überzeugt schließlich Wilhelm Heidsiek und dann mit ihm gemeinsam die Hamburger SPD, die das Vorhaben finanziell unterstützen soll. Nach langen Planungen wird schließlich beschlossen, die „Alte Liebe“, wie Cuxhavens dritte Tageszeitung heißen soll, zum einen durch die Ausgabe von Darlehensscheinen in Höhe von 25,- bis 2000,- Mark, an denen sich vor allem die Parteimitglieder beteiligen sollen, und zum anderen mit Darlehen vom sozialdemokratischen „Hamburger Echo“ sowie der Hamburger SPD zu finanzieren. So entsteht am 28. November 1919 die „Cuxhavener Volksblatt GmbH“ mit Wilhelm Heidsiek als Vorstandsmitglied und Redakteur. Drei Tage später ist es dann so weit, am 1. Dezember 1919 erscheint die erste Ausgabe der „Alten Liebe“, bei der Wilhelm Heidsiek nicht nur die Artikel verfasst, sondern auch setzt.
Für das Privatleben hat Wilhelm Heidsiek in den nächsten Monaten nicht viel Zeit, aber trotzdem heiratet er am 17. Januar 1920 Martha Wolf. Wenige Monate später wird ihr Sohn Harald geboren.
Nach diesem arbeitsreichen Jahr sind die Schulden der GmbH bezahlt und die „Alte Liebe“ hat sich auf dem Cuxhavener Zeitungsmarkt etabliert. Aber Wilhelm Heidsiek schmiedet schon neue Pläne. Bislang wurde die Zeitung in einer kleinen Buchdruckerei im Hafen (Karl Lenk GmbH) gedruckt, doch Wilhelm Heidsiek will, vor allem aus Kostengründen, eine eigene Druckerei. Der Eigentümer der Karl Lenk GmbH (Wilhelm Schulz) macht dem Cuxhavener Volksblatt schließlich das Angebot, sein Unternehmen zu kaufen und am 1. Januar 1921 übernimmt der Verlag „Cuxhavener Volksblatt GmbH“ die Druckerei.
Doch jetzt treten neue Probleme auf. Der Weg von der Geschäftsstelle der „Alten Liebe“ zur Druckerei ist zu weit, um beide Unternehmen erfolgreich zu führen. Eine neue Geschäftsstelle muss her. Kurz bevor die Inflation so manches Unternehmen, so auch das „Cuxhavener Tageblatt“, sterben lässt, zieht die „Alte Liebe“ in ihre neuen Räume an der Ecke Poststraße/Hermannstraße(heute Wilhelm-Heidsiek-Straße) in einen ehemaligen Papierladen (heute Cux-Sport) und mit viel Einsatz überlebt die „Alte Liebe“ die Inflation.
Privat leidet wieder die Familie. Wilhelm Heidsieks Mutter stirbt und er kann nur noch zu ihrer Beerdigung fahren; es fehlte an Zeit. Ein Jahr nach seinem Sohn wird 1922 die Tochter Astrid geboren und Wilhelm Heidsieks Frau wird so schwer krank, dass man ihr das Bein abnehmen muss.
Aber Wilhelm Heidsiek fühlt sich für viele Menschen mitverantwortlich. Deshalb übernimmt er in den nächsten zehn Jahren viele Aufgaben abseits von Familie und Beruf. Er setzt sich z.B. für die Kirche und die Kultur (u.a. als Mitglied des Vorstands des Stadttheaters) ein. Aber vor allem verstärkt er seine politischen Aktivitäten. Er übernimmt Ehrenämter in der SPD (u.a. als Distrikts-Vorsitzender), gehört zu den Gründen des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer“ und wird auch hier Vorstandsmitglied. Schließlich lässt er sich in den Stadtrat wählen und wird sogar Fraktionsvorsitzender. Gemeinsam mit Karl Olfers und den anderen Fraktionsmitgliedern kämpft er im Stadtrat gegen die aufkommenden Nazis, die letztlich jedoch triumphieren.
Die „Alte Liebe“ hatte sich in Cuxhaven inzwischen so etabliert, dass ein eigenes Pressehaus gebaut werden konnte. Am 25. Juni 1932 zieht die „Alte Liebe“ an den Kaemmererplatz in das neue Pressehaus (heute Cuxhavener Nachrichten). Doch wenige Monate später vernichten die Nazis das Werk von Wilhelm Heidsiek. Nachdem er am 3. März 1933 über das Verbot des "Hamburger Echo" berichtet, wird die „Alte Liebe“, zwei Tage vor der Kommunalwahl, zunächst für fünf Tage verboten. Am 15. März erscheint die letzte Ausgabe der „Alte Liebe“ und danach wird sie endgültig verboten. Das Vermögen der „Cuxhavener Volksblatt GmbH“, einschließlich des Pressehauses, wird beschlagnahmt.
Am 30. März wird Wilhelm Heidsiek für ein paar Stunden verhaftet und so an der Teilnahme an der Ratssitzung gehindert, auf der Bürgermeister Dr. Werner Grube von seinem Amt enthoben wird. Als am 5. Mai der neue Stadtrat in seine Ämter eingeführt wird, ist kein SPD-Mitglied mehr im Rat vertreten. Am 18. Juli 1933 werden alle Parteien außer der NSDAP verboten. Wilhelm Heidsieks politische Arbeit bewegt sich damit ab sofort in der Illegalität. Er wird wiederholt verhaftet und entscheidet sich dennoch, nicht zu emigrieren.
Bis 1939 muss er mit Seife, Wasch- und Körperpflegemitteln hausieren gehen, um die Familie zu ernähren. Dann wagt die Zigarren-Großhandlung Müller es, ihn als Buchhalter einzustellen.
Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 werden in der Aktion „Gewitter“ zahlreiche Menschen verhaftet. Darunter auch Heinrich Grube und Wilhelm Heidsiek. Karl Olfers entgeht der Verhaftungswelle nur durch seine kurz zuvor erfolgte Einberufung zur Wehrmacht. Wilhelm Heidsiek und Heinrich Grube sitzen zunächst einige Wochen in Cuxhaven im Gefängnis. Hier entsteht am 5. Oktober das letzte Lebenszeichen, ein Brief an seine Frau. Dann werden Wilhelm Heidsiek und Heinrich Grube in das KZ Neuengamme abtransportiert. Im Dezember erhält Martha Heidsiek eine Urne mit Asche und die Mitteilung, dass ihr Mann am 7. November 1944 „an Herzschlag gestorben“ sei.
Ehrungen
Am 4. Juni 1948 beantragt die SPD-Fraktion im Stadtrat die Umbenennung mehrerer Straßen. Mit 16 Ja- gegen 14 Nein-Stimmen wird unter anderem beschlossen, die Hermannstraße, in der Wilhelm Heidsiek jahrelang wirkte, in Wilhelm-Heidsiek-Straße umzubenennen.