Nordheimstiftung
Inhaltsverzeichnis
ehemalige Anschrift
- HELIOS Seehospital Sahlenburg
- Nordheimstraße 201
- 27476 Cuxhaven
- Tel. 04721 / 508 02-0
Nordheimstiftung
In seinem Testament hatte der am 25. November 1899 verstorbene Hamburger Kaufmann Marcus Nordheim bestimmt, dass der nach Abzug aller sonst von ihm hinterlassenen Vermächtnisse verbleibende Restnachlass der Stadt Hamburg für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung gestellt werden soll.
Nordheim hatte es seinem Bruder Jacob und dem Hamburger Rechtsanwalt Dr. Albert Wolffson als Testamentsvollstreckern überlassen, zu bestimmen, wie am geeignetsten und wirksamsten seine Absicht hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen, umgesetzt werden kann. Die für wohltätige Zwecke zur Verfügung stehende Summe betrug zwei Millionen Reichsmark, andere Quellen schreiben von 1,5 Millionen Goldmark.
In Hamburg wurde in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Notwendigkeit erkannt, eine an der See liegende Heilstätte für knochen- und gelenktuberkulöse Kinder zu errichten. Der Vertrauensarzt der Hamburger Allgemeinen Armenanstalt, Dr. Buehl, hatte den Bedarf an einer solchen Heilstätte nachgewiesen. Er wandte sich an Nordheims Testamentsvollstrecker und fand Verständnis und Zustimmung einer solchen Heilstätte.
Am 14. Mai 1903kam dann in Verbindung mit dem Hamburger Bürgermeister Dr. Hachmann die Errichtung der Nordheim-Stiftung zustande. Der Stiftungszweck war die Errichtung einer Heilanstalt auf Hamburger Staatsgebiet im Amt Ritzebüttel. Behandelt werden skrofulöse und tuberkulöse Kinder, von denen anzunehmen war, dass sie durch die Heilkraft des Seeklimas und die Heilmittel der Anstalt ihre Gesundheit wiedererlangen oder zumindest erheblich verbessern konnten.
Die Anstalt wurde als Krankenhaus errichtet, welches
- 1. ...nur Kinder aufnimmt, die tatsächlich an ausgesprochener Skrofulose oder Tuberkulose leiden, also ernstlich krank sind, aber nach ärztlicher Überzeugung noch als heilbar oder besserungsfähig anzusehen sind.
- 2. ... alle zur Behandlung solcher Kinder erforderlichen Einrichtungen enthält, was Bau, Inventar und Personal betrifft.
- 3. ... immer Sommer und im Winter betrieben wird
- 4. bezüglich der Behandlungsdauer des einzelnen Patienten an keinerlei Schema gebunden ist. Die Kranken wurden so lange behandelt, bis entweder Heilung oder der bestmögliche Grad der Besserung eingetreten ist.
Der Bau des als "Nordheimstiftung" bekannt gewordenen Krankenhause erfolgt zwischen 1904 und 1906 auf einem 35 ha großen Heidegelände weitab jeder Bebauung. Der Hauptteil des Grundstückes liegt auf dem nahe an den Strand heranreichenden, heidebewachsenen Geestrücken, der sich als letzter schmaler Ausläufer der Lüneburger Heide am Ostrand der breiten Elbeniederung erhebt und bis Duhnen erstreckt. Das Klinikgelände liegt durchschnittlich 5 bis 10m über dem Meeresspiegel.
Die Bauarbeiten wurden nach Plänen des Architekten Groothoff] ausgeführt und 1906 beendet.
Baubeschreibung von 1906
Wenn sonach die Anstalt in ihrer Gesamtheit so recht mitten in die Seeluft hineingestellt, der frischen Kraft des Seewindes voll ausgesetzt wurde, so mussten doch in der Nähe der Baulichkeiten auch geschützte Plätze zur Freiluftbehandlung der empfindlicheren Kranken geschaffen werden. Auch war bei der Rauheit unseres Küstenklimas in der kalten Jahreszeit nicht daran zu denken, die Anstalt im Pavillionstil zu erbauen. Alle Transporte von einem Gebäude zum andern wären bei schwerem Wetter und auch bei Sandwehen völlig unmöglich geworden. So sind denn alle Betriebs- und Krankenräume miteinander in Verbindung gebracht, und es hat sich eine Anordnung der Gebäude entwickelt, die mit einer Armbrust oder einem "T" eine gewisse Ähnlichkeit hat. Der von Südost nach Nordwest gerichtete, teilweise mehrstöckige Mittelbau enthält, von Südosten beginnend: Maschinenhaus. Waschanstalt, Verwaltungsräume und Dienstwohnungen, Küche und Speisesaal, endlich das Zentralbad. Am Nordwestende des Mittelbaues sind rechtwinklig nach beiden Seiten abgehende Flügel angesetzt, deren Enden nach dem Mittelbau zu einem stumpfen Winkel zurückgebogen sind. In dem rechtwinkeligem Teil liegen die gut und vollständig ausgestatteten ärztlichen Räume, Operationszimmer, Gipszimmer, Untersuchungszimmer, ferner Schule und Schwesternzimmer. An den Seiten schließen sich an: südwestlich die Tagesräume und Krankensäle der Knabenabteilung mit den zugehörigen Nebenräumen, nordöstlich die fast völlig gleichen Räume der Mädchenabteilung. Nur ein Teil des Mittelbaus ist unterkellert worden. In den Obergeschossen befinden sich nur Wohnungen für Beamte und Angestellte. Alle für den Gebrauch der kranken Kinder bestimmten Räume liegen zu ebener Erde und bieten durch bequeme Rampen zahlreiche Ausgänge ins's Freie. Auch die schwerkranken Kinder können daher leicht auf Räderbahren oder auf Liegestühlen an den Strand oder in die weiten, verhältnismäßig geschützten Höfe gebracht werden, die sowohl auf der Mädchen- wie auf der Knabenseite zwischen den zurückgebogenen Krankengebäuden und dem Mittelbau entstanden sind.
Einweihung 1906
Bei der offiziellen Einweihung am 4. September 1906 durch den Bürgermeister Dr.Mönckeberg waren bereits 30 Kinder aufgenommen, denn der Betrieb des Krankenhauses hatte bereits am 29. Juli 1906 begonnen. Die Gesamtkosten der gesamten Anlage betrugen 665.000,- Mark. Für die damaligen Verhältnisse, mit rund 8.300.- Mark pro Krankenbett, war es eine sehr großzügige Planung Bereits nach wenigen Jahren war das Hospital so weit ausgelastet, dass zusätzliche Baracken aufgestelltwerden mußten, die 1912 zu Steinhäusern umgebaut wurden.
Mathilde-Emden-Haus
1913 erhielt die Anstalt ein Vermächtnis (300.000,- Mark) von Frau Mathilde Emden. Dieses Geld sollt u.a. für einen Erweiterungsbau verwendet werden. Im Mai 1914 wurde das Mathilde-Emden-Haus seiner Bestimmung übergeben werden. Das Gebäude trug dem Bedarf an Einzelzimmern für Kinder aus wohlhabenderen Familien Rechnung.
Wie auch bei dem Hauptgebäude wirkte auch hier der Hamburger Architekt Hugo Groothoff.
Das Cuxhavener Tageblatt beschrieb den Bau folgendermaßen: Das Mathilde-Emden-Haus besteht aus einem Mittelgebäude, das von zwei Seitenflügeln flankiert wird. Der Mittelbau enthält im Erdgeschoss den gemeinsamen Speisesaal, in dem in bequemer Weise aus der Küche durch ein Schiebefenster die Schüsseln hereingereicht werden können. Außerdem findet sich hier das gut ausgestattete Verbandszimmer und ein freundliches Besuchszimmer für die ihre Kinder aufsuchenden Eltern. Im ersten Stock sind dann Wohnräume für das Personal. Außer Schwestern und Dienstmädchen ist hier auch ein Medizinalpraktikant untergebracht, damit auch in diesem Haus stets ein Arzt zur Hand ist, ausgedehnte Bodenräume dienen wirtschaftlichen Zwecken und der Unterbringung der mitgebrachten Kleidungsstücke der Kinder. Den Frontgiebel des Gebäudes ziert eine von Frau Caroline Hinrichsen gestiftete Turmuhr, deren kräftige Stimme weithin über das Nordheim-Terrain zu hören ist. Der Westflügel ist durch einen gedeckten Gang mit dem alten Gebäude der Stiftung verbunden. An diesem Verbindungsgang sind in einem besonderen Gebäude zwei große helle Schlafzimmer angebaut. Ein Speisesaal mit vorgelagerter geräumiger Liegehalle bildet die Verbindung mit dem Mittelbau. Der Ostflügel enthält dann hauptsächlich die Einzelzimmer, die für Kinder aus Häusern mit besonderen Ansprüchen gedacht sind. Die großen Tagesräume dieses Ostflügels sowie die Kleinkinderstation sind mit hübschen Bildern aus dem Kinder- und Tierleben verziert. Der große Hof zwischen dem Altbau der Nordheimstiftung und dem Emden-Haus ist geschmackvoll gärtnerisch angelegt.
1914 - 1918
Im 1. Weltkrieg wurde die Nordheimstiftung ihrer eigentlichen Zweckbestimmung als Krankenhaus entzogen. Das Militär rückte ein, die Gebäude mussten der Küstenabwehr als Quartier überlassen werden. So wird allgemein berichtet. Dem widerspricht der Leutnant Hans Bötticher, besser bekannt als Joachim Ringelnatz, dem zeitweilig die Sahlenburger Stellungen "Seeheim" und "Nordheim" unterstanden. Er berichtet in seiner Autobiografie "Als Mariner im Krieg" von seinen Ausflügen "zu den Schwestern der Nordheimstiftung".
1919 - 1945
Die Wiedereröffnung des Seehospitals nach dem 1. Weltkrieg erfolgte 1919. In den Folgejahren war die Existenz der Anstalt durch Inflation und unübersehbare wirtschaftliche Verhältnisse ernsthaft gefährdet. Das Vermögen der Nordheim-Stiftung wurde in dieser Zeit fast vollständig vernichtet. Durch Zuschüsse des Hamburger Staates konnte die Anstalt in den kommenden Jahren erhalten werden. Es wurden weitere Stationen in Barackenform sowie ein Schulgebäude errichtet.
Bald nach Beginn des dritten Reiches wurde die Inschrift "Nordheim-Stiftung" vom Hauptgebäude entfernt. Im Jahr 1943, nachdem der Vorstand der Stiftung vollständig gereinigt war, wurde durch eine Satzungsänderung angeordnet, dass Juden nicht Mitglieder des Vorstandes der Nordheimstiftung sein dürften. Während dieser Zeit wurden auf dem Gelände weitläufige Luftschutzeinrichtungen installiert. Die Patienten wurden oft abends, auch mithilfe von Jugendlichen aus der Nachbarschaft, für die Nacht zum Schutz vor den in die deutsche Bucht einfliegenden Bomberverbände in die Bunker gebracht.
Bis 1935 gehörte das Gelände der Nordheimstiftung zur Gemeinde Sahlenburg. Die Nordheimstiftung war der bedeutendste Steuerzahler für die Gemeinde, bis sie 1935 Duhnen zugeschlagen wurde.
Mit der Reichstagswahl im März 1933waren die Gemeindewahlen derart gekoppelt, dass die für die Parteien zum Reichstag abgegebenen Stimmen gleichzeitig für die parteimäßig zu gliedernde Gemeindeverwaltungen galten. Dabei stellte sich für Sahlenburg das Kuriosum heraus, daß, obwohl über die Hälfte der Stimmen für nationalsozialistische Reichstagskandidaten abgegeben war, nur zwei Parteimitglieder in der Gemeinde Sahlenburg vorhanden waren, die zudem das Amt eines Gemeindevertreters nicht übernehmen konnten oder wollten. In aller Eile lud die Kreisleitung der NSDAP interessierte Gemeindeangehörige zu einer Zusammenkunft ein und warb Parteigenossen, damit die Gemeindevertreterstellen besetzt werden konnten. So entstand in Sahlenburg eine Vertretung mit nationalsozialistischer Mehrheit. Daneben wurde nun auch ein Parteiapparat aufgezogen und mit einem zugezogenen Ortsgruppenleiter an der Spitze, so dass von einer freien Willensbildung nicht mehr die Rede sein konnte. So ist es zu verstehen, dass die Nordheimstiftung 1935 an Duhnen fiel und die Gemeinde ihren wichtigsten Steuerzahler verlor. Die Sahlenburger waren zu wenig Linientreu.
Nach 1945
Nach dem Krieg wuchs das Krankenhaus durch Anmietung von zusätzlichen Gebäuden in der Umgebung und den Neubau weiterer Stationen auf 485 Betten. Diese Erweiterung war notwendig, um einer durch die schlechten Lebensverhältnisse und den Flüchtlingsstrom hervorgerufenen neue Tuberkulosewelle zu begegnen. Das neue Kesselhaus mit einer hochmodernen, automatischen Kohlefeuerungsanlage wurde 1948 gebaut. Die Trinkwasserversorgung und die Bäderabteilung wurden erneuert. Mit Hilfe des Landes Niedersachsen wurde moderne Abwasseranlage (Klärwerk) geschaffen.
Ab 1955 verfügte die Nordheimstiftung über eine Urologie sowie über eine Abteilung für rheumatische Erkrankungen. Durch Aufforstung mit Kiefern und Mischwald ist aus dem kahlen Heidegelände eine ansprechende Parklandschaft entstanden, die die heftigen Seewinde abhält und von Patienten und Besuchern zum Aufenthalt im Freien gern genutzt wird. Ein kleiner Bereich des Geländes ist am 26. Juni 2009 in die UNESCO-Liste des `Weltnaturerbes Wattenmeer´ aufgenommen worden. Einen Namen hat sich die Klinik in den Jahren vor allen als renommierte Fachklinik für Tuberkulose, Orthopädie und als Rheumazentrum gemacht.
Am 1. April 2002 ging das Seehospital Sahlenburg von der Nordheim-Stiftung an die Helios-Kliniken-Gruppe über.
Bilder
Bau des Nationalpark-Zentrums auf dem Gelände der Nordheimstiftung
Bilder aus einem privaten Album
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